Ihmert. Samstag 4 Uhr in der Früh: Für den Ihmerter Jochen Schulte ist die Nacht vorbei. Er startet den bei ihm auf dem Hof Elfenfohren stationierten Unimog des Märkischen Stadtbetriebes Iserlohn/Hemer. Winterdienst auf den Straßen ist angesagt – im Bergdorf regelmäßig eine besondere Herausforderung. Heute wird es vergleichsweise einfach. In der Nacht hat es nur ein wenig geschneit. Die Straßen sind zwar stellenweise tückisch glatt aber nur leicht „überzuckert“. Räumen wird nicht notwendig sein, Streuen reicht. Außerdem entfällt der Berufsverkehr.
Der Mitarbeiter des Stadtbetriebs steuert den Unimog zunächst auf die Strecken mit der höchsten Priorität, das sind in Ihmert die Hauptstraßen sowie die kurvigen und steilen Zufahrten zur Landesklinik. Auf der Ihmerter Straße und der Westendorfstraße Richtung Kesbern wendet Jochen Schulte jeweils kurz nach dem Passieren des Ortsausgangsschildes – es handelt es sich um Landesstraßen, die vom Stadtbetrieb nur innerhalb geschlossener Ortschaften zu räumen sind, den Rest übernehmen die Fahrzeuge des Landesbetriebes Straßen NRW.
So sind die wenigen Kilometer Ortsdurchfahrt inklusive der Bushaltestellen mit dem Gemisch aus Salz und Sole schnell abgestreut. „Die aus den Tanks zugemischte wäßrige Salzlösung vermindert nicht nur Salzverbrauch, sondern sorgt auch dafür, dass das Salz besser haftet, schneller und länger wirkt“, erklärt Jochen Schulte.
Sofort nach dem Abbiegen Richtung Landesklinik wird deutlich, dass der Winterdienst in Ihmert durchaus vergleichbar schwierig wie in Gebirgsregionen sein kann: steile Anstiege, enge Kurven. Jochen Schulte: „Ich muss mir schon vorher überlegen, wie ich mit dem Unimog selber heile vom Berg wieder herunterkomme“. Da kann bei einigen Strecken entscheidend sein, in welcher Richtung sie zuerst befahren werden. An besonders heiklen Anstiegen legt Schulte per Knopfdruck eine Extraportion Salz ab. „Das sind dann die Stellen, wo ich auf dem Rückweg das Fahrzeug abfangen kann, wenn es trotz Allradantrieb in Rutschen kommt – ich will ja nicht im nächsten Vorgarten landen.“
Heute sind die Straßen mit höchster Priorität schnell abgearbeitet, da sie nicht geräumt werden müssen und mehrfach abzufahren sind. Jochen Schulte fährt nun in die Wohngebiete. Dort wird es nicht nur steil und kurvig, sondern auch richtig eng. Auf den ohnehin schmalen Straßen sind meist beidseitig Autos abgestellt, da wird die Fahrt mit dem gut 2,5 Meter breiten Schneeschild vor dem Fahrzeug zur Millimeterarbeit. Immer wieder verstellt Schulte die Position des Schildes, um überhaupt durchfahren zu können. „Im Winter macht es schon Sinn, auf engen Straßen die Autos teilweise auf dem Gehweg zu parken, damit wir überhaupt durchkommen“, empfiehlt Jochen Schulte, „und vor allem in Sackgassen nicht den Wendehammer zuparken!“ Auch diesmal muss er mehrfach deswegen die Straße rückwärts wieder verlassen. Wenn dann noch Schneemassen zu bewegen sind, wird der Winterdienst endgültig zur fahrerischen und logistischen Herausforderung. „Irgendwo muss ich mit dem Schnee vor der Schaufel ja hin, das geht nicht immer ohne einen Berg vor dem Gartentor zu hinterlassen“, bittet Schulte um Verständnis.
Nach gut zwei Stunden ist zunächst „nachtanken“ angesagt. Jochen Schulte fährt zum Hemeraner Betriebshof des Märkischen Stadtbetriebs nach Westig, wo ein großer Teil des Salzvorrats liegt. Die Lake kommt per Pumpe in die Tanks, ein Radladerfahrer füllt das Trockensalz auf. Wenige Minuten später ist er wieder Richtung Ihmert unterwegs. Nun geht es zum Abschluss der morgendlichen Tour in den Wald und die Felder, damit die zahlreichen abgelegenen Bauernschaften rund um das Dorf erreichbar bleiben. „Wenn wir hier nicht regelmäßig räumen, haben die Bewohner kaum eine Chance vom Hof zu kommen“, weiß Schulte, „die offenen Flächen sind prädestiniert für Schneeverwehungen, da ist dann für normale Fahrzeuge auch mit Winterreifen schnell Endstation.“
Die Morgentour ist an diesem Samstag nach gut vier Stunden beendet. Wenn geräumt werden muss, dauert sie meist doppelt so lange, kommen locker 170 Kilometer zusammen. Bei andauerndem Schneefall geht es fast pausenlos weiter bis mittags der Spätdienst übernimmt und bis 22 Uhr für sichere Straßenverhältnisse sorgt.
Bei dem vor etwas mehr als einem Jahr gegründeten gemeinsamen Stadtbetrieb der Städte Iserlohn und Hemer sind 39 Fahrer, 9 Einsatzleiter sowie 10 Werkstattmitarbeiter und 5 Radladerfahrer für den Winterdienst auf den Straßen im Zuständigkeitsbereich der beiden Städte im Einsatz. Damit können in zwei Schichten die 6 Routen mit höchster Priorität in Hemer sowie 7 Routen in Iserlohn abgedeckt werden. Weitere 7 Routen in Iserlohn decken private Unternehmen ab. Betriebsleiter Uwe Ziemann: „Wir müssten gesetzlich eigentlich nur bis 20 Uhr räumen, die Verlängerung macht aber Sinn, damit das Pensum morgens besser zu schaffen ist.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen, die den Winterdienst auf das absolut Notwendige zurückgefahren haben, kümmert sich der Stadtbetrieb zumindest in der zweiten Priorität auch um wichtige Nebenstrecken und Stellen, die sich in der Vergangenheit als besonders problematisch erwiesen haben.
Insgesamt binden Schnee und Eis sogar 189 Mitarbeiter im Winterdienst, denn es kommt ja noch der besonders personalintensive Bereich Gehwege hinzu. Fast 200 Kilometer sogenannte „selbständig geführte“ Gehwege, die Bereiche der städtischen Liegenschaften sowie Treppen, Überwege und Bushaltestellen im durch die Satzung festgelegten Zeitraum von 7 bis 20 Uhr von Schnee und Eis zu befreien. Für beide Städte sind jeweils 16 Gruppen in der Früh- und Spätschicht unterwegs, was samt Einsatzleitern 126 Mitarbeiter erfordert.